Die weiteren EU-Maßnahmen gegen Greenwashing
Die wachsende Menge an Informationen über die Auswirkungen des Konsums veranlassen immer mehr Konsumenten, die Konsequenzen ihres Verhaltens und ihrer Kaufentscheidungen auf Umwelt und Gesellschaft zu überdenken. Immer mehr Verbraucher möchten aktiv zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen. Auch auf diesen Trend haben sich viele Unternehmen eingestellt. Obwohl einige Firmen von Natur aus nachhaltig agieren, nutzen andere die gestiegene Nachfrage, um ihre Produkte als „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ besser vermarkten zu können.
Es stellt sich die Frage, wie hierbei sichergestellt werden kann, dass diese produktbezogenen Versprechen auch eingehalten werden. Verschiedene „Greenwashing-Skandale“ der letzten Jahre haben gezeigt, wie leicht Verbraucher getäuscht werden können: Die „Conscious Collection“ von H&M enthielt mehr synthetische Stoffe als die Hauptkollektion[1] und McDonald’s ersetzte Plastikstrohhalme durch angeblich recycelbare Papierstrohhalme, die sich jedoch als nicht recyclebar herausstellten[2].
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Regulierung von sogenannten „Umweltclaims“ zunehmend an Bedeutung. Die Europäische Union hat Initiativen gestartet, um Verbraucher vor täuschenden Umweltversprechen zu bewahren und echtes nachhaltiges Engagement von Unternehmen zu unterstützen. Dabei geht es darum, die Vertrauenswürdigkeit von Umweltaussagen zu stärken, Verbraucher vor irreführenden Informationen zu schützen und Unternehmen zu umweltbewusstem Handeln zu ermutigen. Dies soll zudem einen fairen Wettbewerb sicherstellen. Die „Green Claims“-Initiative zielt darauf ab, die Transparenz und Genauigkeit von Umweltbehauptungen zu verbessern, indem klare, wissenschaftlich fundierte Nachweise gefordert werden. Gleichzeitig stärkt die „Empowering Consumers for the Green Transition“ (EmpCo)-Initiative die Informationspflichten der Unternehmen und verbietet irreführende Umweltangaben strikt.
Diese neuen Regelungen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen können, die Nachhaltigkeitsversprechen der Unternehmen tatsächlich eingehalten werden und das tatsächliche nachhaltige Engagement von Unternehmen eine größere Bedeutung erlangt.
Aktuelle Zahlen und Fakten
Wie groß das Ausmaß von Greenwashing ist, zeigt sich in Studien, welche belegen, dass über die Hälfte der grünen Werbeaussagen vage oder irreführend sind.
− 53 % der ökologischen Angaben enthalten vage, irreführende oder unbegründete Informationen
− 40 % der Behauptungen haben keine Belege
− Die Hälfte aller Umweltzeichen bietet nur eine schwache oder gar keine Überprüfung
− In der EU gibt es 230 Nachhaltigkeitssiegel und 100 grüne Energiesiegel mit sehr unterschiedlichen Transparenzniveaus[3]
Nachhaltiges Handeln und die Lösungen der EU
Wann kann also mit einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit geworben werden und wann liegt kein Greenwashing mehr vor?
Nachhaltiges Handeln bedeutet nicht nur umweltfreundliche Gesten, sondern die Berücksichtigung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Faktoren. Hierbei sind messbare Maßnahmen erforderlich, welche Unternehmen in ihre Geschäftsmodelle und Entscheidungsprozesse integrieren.
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
Bereits nach der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland sind irreführende Umweltaussagen gemäß § 5 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie eine Täuschung der Verbraucher darstellen. Als Beispiel kann ein Unternehmen dienen, welches die Produktion seiner Waren als „klimaneutral“ bezeichnete, obwohl es die dabei entstehenden Emissionen lediglich durch einen CO2-Partner kompensierte. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ in diesem Fall irreführend war, da er sowohl die tatsächliche Reduktion von CO₂-Emissionen im Produktionsprozess als auch die bloße Kompensation dieser Emissionen durch externe Maßnahmen umfassen kann.
Wenn ein solch mehrdeutiger Begriff verwendet wird, muss bereits in der Werbung klar definiert sein, was darunter zu verstehen ist. Die bloße Kompensation von Emissionen hat nicht die gleiche Bedeutung wie eine tatsächliche Reduktion im Produktionsprozess. Transparenz ist hierbei entscheidend, um Verbraucher nicht zu täuschen und ihnen eine fundierte Kaufentscheidung zu ermöglichen.
Das UWG enthält jedoch keine spezifischen Regelungen für Umweltaussagen. Daher liegt es derzeit in der Verantwortung der Gerichte, in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob eine Täuschung der Verbraucher vorliegt.
Um die Transparenz und Verlässlichkeit von Umweltversprechen zu verbessern, entwickelt die Europäische Union derzeit mehrere Initiativen. Die „Green Claims“-Initiative und die „Empowering Consumers for the Green Transition“ (EmpCo) – Richtlinie zielen darauf ab, klare und überprüfbare Kriterien für Umweltangaben festzulegen und so sowohl den Verbraucherschutz als auch den Wettbewerb zu stärken.
Empowering Consumers for the Green Transition – Richtlinie
Die EmpCo – Richtlinie[4] erweitert die bestehende Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) um spezifische Regelungen zu Umweltaussagen, sodass Verbraucher besser vor irreführenden Umweltaussagen geschützt werden. Diese ist am 27. März 2024 in Kraft getreten, was bedeutet, dass die EU-Mitgliedstaaten nun bis zum 27. März 2026 Zeit für die Umsetzung in nationales Recht haben.
Die Richtlinie unterscheidet hierbei zwischen allgemeinen Umweltaussagen, spezifischen Umweltaussagen und Nachhaltigkeitssiegeln. Dabei erweitert sie die „Black-List“ der unlauteren Geschäftspraktiken um spezifische Beispiele von irreführenden Umweltaussagen.
Wesentliche Neuerungen sind unter anderem, dass Aussagen zum gesamten Produkt oder zur gesamten Geschäftstätigkeit eines Unternehmens nicht getroffen werden dürfen, wenn sie nur auf einen bestimmten Aspekt oder eine einzelne Aktivität zutreffen. Beispielsweise darf ein Produkt nicht als „mit Recyclingmaterial hergestellt“ beworben werden, wenn dies nur auf die Verpackung zutrifft.
Darüber hinaus verbietet die Richtlinie Werbeaussagen, die neutrale, verringerte oder positive Umweltauswirkungen behaupten, wenn diese auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen außerhalb der Wertschöpfungskette des Produkts basieren.
Besondere Relevanz entfaltet die EmpCo-Richtlinie in Bezug auf allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „grün“ oder „ökologisch“, die weitgehend verboten werden sollen. Diese unspezifischen Begriffe können Verbraucher irreführen und sind daher durch das neue „Blacklist“-Verbot weitestgehend untersagt.
Durch diese Maßnahmen soll die Glaubwürdigkeit von Umweltangaben erhöht und fairer Wettbewerb gefördert werden, damit Verbraucher fundierte Kaufentscheidungen treffen können.
Green Claims Directive
Die Green Claims-Richtlinie[5] ergänzt die EmpCo-Richtlinie durch zahlreiche weitere Bestimmungen zu Umweltaussagen.
Sie zielt darauf ab, klare und überprüfbare Kriterien für Umweltangaben zu etablieren, um sicherzustellen, dass diese auf wissenschaftlich fundierten Beweisen beruhen und für Verbraucher leicht verständlich und vergleichbar sind.
Unternehmen müssen zunächst eine Bewertung („Assessment“) durchführen, die den Rahmen für ihre umweltbezogenen Angaben bildet. Dabei ist eindeutig festzulegen, ob sich die Aussage auf das gesamte Produkt, einen Teil des Produkts, einen Abschnitt des Lebenszyklus oder spezifische Aspekte bezieht. Darüber hinaus müssen Umweltangaben vor ihrer Veröffentlichung von einer akkreditierten Prüfungsstelle überprüft und zertifiziert werden, um sicherzustellen, dass sie den EU-Vorgaben entsprechen. Die Angaben müssen regelmäßig aktualisiert und spätestens alle fünf Jahre überprüft werden.
Die Regulierung beinhaltet auch die Einführung von QR-Codes, um Verbrauchern den Zugang zu Hintergrundinformationen zu ermöglichen. Damit sollen Aussagen der Unternehmen einfacher überprüft werden können. Dies ist Teil eines umfassenden Ansatzes, um die Verbraucher vor irreführenden Informationen zu schützen und gleichzeitig den Druck auf Unternehmen zu erhöhen, tatsächlich nachhaltig zu handeln.
Kleinstunternehmen sind von diesen Regelungen ausgenommen, während kleine und mittlere Unternehmen Unterstützung bei der Umsetzung erhalten sollen.
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Glaubwürdigkeit von Umweltangaben zu erhöhen, Verbraucher vor irreführenden Informationen zu schützen und Unternehmen zu nachhaltigem Handeln zu motivieren. Die Richtlinie befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren. Im März 2023 wurde sie vom Europäischen Parlament verabschiedet und der Europäischer Rat wird die Verhandlungen mit dem EU-Parlament in der nächsten Legislaturperiode starten.[6]
Fazit
Die steigende Bedeutung des Umweltschutzes hat Unternehmen dazu bewegt, ihre Produkte zunehmend als nachhaltig zu bewerben. Doch wie zahlreiche Greenwashing-Skandale zeigen, sind diese Versprechen oft irreführend. Die EU reagiert mit der Green Claims- und der EmpCo-Initiative als weitere Maßnahme. Diese setzen klare Regeln und verlangen wissenschaftlich fundierte Nachweise für Umweltangaben, um Verbraucher vor Täuschung zu schützen und echten nachhaltigen Fortschritt zu fördern. Damit wird ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit im Markt unternommen.
Quellen
[1] Greenwashing-Vorwürfe: Wie H&M Nachhaltigkeitswerte geschönt haben soll (fashionunited.de)
[2] Analyse der Deutschen Umwelthilfe enthüllt Einweg-Kampagne von McDonald‘s als besonders dreistes Greenwashing – Deutsche Umwelthilfe e.V. (duh.de)
[3] Green claims – European Commission (europa.eu)
[4] Richtlinie (EU) 2024/825 vom 28. Februar 2024 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen („EmpCo-Richtlinie“).
[5] Vorschlag für eine Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen).
[6]Green claims directive: Council ready to start talks with the European Parliament – Consilium (europa.eu)